Psychisch bedingte Herzrhythmusstörung

Es gibt unterschiedliche Arten von Zusammenhängen von Psyche und Herzrhtythmusstörungen.


Schwer zu unterscheiden

Die Beschwerden, auf eine Herzfehlfunktion zurückzuführender Herzrhythmusstörungen, sind auf den ersten Blick oft ähnlich denen, die psychisch bedingt sind. Auch die damit verbundenen Ängste sind ähnlich. Ein Mensch, der ein beunruhigendes Verhalten oder mögliche Fehlfunktionen seines Herzens wahrnimmt, fürchtet um sein Leben, egal welche Ursache zugrunde liegt. Diese Angst ist vollkommen natürlich, da wir Menschen das Herz als lebenswichtiges Organ verstehen.

Bei genaueren Hinsehen machen sich die Unterschiede deutlich bemerkbar. Bei Herzrhythmusstörungen, deren Ursache eine Herzfehlfunktion ist, hat der Patient, oft ohne Vorankündigung, starke Schwindelanfälle, Präsynkopen und Synkopen, im schlimmsten Falle einen Herzstillstand. Dabei ist es noch gar nicht gesagt, daß der Patient die Rhythmusstörungen spürbar wahrnimmt.
Bei entsprechenden Untersuchungen durch einen Kardiologen werden die Ursachen meistens schnell sichtbar. So sind Unregelmäßigkeiten in der Herztätigkeit oft schon auf einem EKG in Ruhe nachweisbar. In einzelnen Fällen werden sie erst bei Dokumentierung mit einer Rhythmcard oder mit einem Looprecorder erkannt.

Bei psychisch bedingten Herzrhythmusstörungen dramatisiert der Patient meist unbewußt die Wahrnehmungen. Er fürchtet das Bewußtsein zu verlieren, hat Angst das Herz würde jeden Moment stehen bleiben, aber nichts davon tritt logischerweise ein. Der Patient ist verunsichert, da diese Störungen für ihn selbst deutlich spürbar und schwer kalkulierbar sind.


"Beweisführung"

Jede kleine Unregelmäßigkeit, normales Herzstolpern, schnellerer Puls läßt den Patienten sofort das schlimmste befürchten. Um sicher zu gehen, daß man die "Herzkrankheit" unter Kontrolle hat, wird bei jeder Gelegenheit der Puls gemessen oder besser noch gleich ein Blutdruckmessgerät gekauft. Dem Patienten ist nicht bewußt, daß eigentlich die Angst verantwortlich ist für die Bewußtseinstrübungen, nicht die Herzrhythmusstörungen. Angst beschleunigt den Puls und erhöht den Blutdruck, wird aber als Beweis interpretiert, daß ganz offensichtlich etwas nicht stimmt. Ein Baustein für den Teufelskreislauf.


Schonverhalten

Da der Betroffene von sich selbst glaubt, herzkrank zu sein, setzt bei ihm ein Schonverhalten ein. Er reduziert sämtliche körperliche Anstrengungen auf ein geringes Maß, vermeidet Treppensteigen, schweres Tragen, sportliche Betätigung und andere anstrengenden Tätigkeiten. Herz und Kreislauf passen sich diesen Umständen an, verlieren dadurch tatsächlich an Leistungfähigkeit. Die geringere Belastbarkeit nimmt der Betroffene wahr, sieht sie aber eher als Bestätigung herzkrank zu sein. Ein weiterer Baustein für den Teufelskreis.

Dieses Schonverhalten kann dermassen krankhafte Formen annehmen, daß ein normales Leben nicht mehr möglich ist. Jeder normale Herzpatient weiß, wieviel Geduld und Arbeit notwendig ist, bis Herz und Kreislauf, im Rahmen der Möglichkeiten, wieder auftrainiert sind.


"Auf Nummer sicher gehen"

Die Angst, daß jederzeit etwas passieren könnte, diktiert ein schon fast zwanghaftes Verhalten. Der Patient bringt in Erfahrung, wo das nächste Krankenhaus mit kardiologischer Fachkenntnis ist und der nächste Kardiologe und informiert sich und Angehörige über die notwendige Notrufnummer. Ich habe von einer Patientin erfahren, daß sie sogar einen Umzug in Kauf nahm, um dichter an einem entsprechenden Krankenhaus zu sein.

Kommt es bei dem Patienten zu Angst- und Panikattacken, dann kann man ein recht widersprüchliches Verhalten beobachten. Der Patient lebt mit der Angst, daß seine Umwelt die Attacken mitbekommt, es ist ihm peinlich. Die einzige Möglichkeit dieser Peinlichkeit zu entgehen besteht darin, daß er das Haus oder die Wohnung nicht verläßt. Der Widerspruch liegt eigentlich darin, daß gerade der Aufenthalt, alleine im Wohnraum, mehr Gefahren in sich birgt, als wenn man sich unter Menschen befindet. Passiert tatsächlich mal etwas, was ja jederzeit vom Patienten befürchtet wird, dann ist die Chance durch Fremdhilfe, außerhalb des Wohnraums, erheblich größer.


Keine Chance dem Arzt

Der Patient geht zum Facharzt für Kardiologie (Facharzt für Herz und Kreislauf), wo er eingehend untersucht wird. Stellt sich hierbei kein Befund heraus, beginnen die Zweifel an den Ärzten. Schließlich hat man ja selbst die Merkmale erfahren und ist überzeugt, daß da etwas sein muß.

Jeder normale Herzpatient wäre froh gewesen, wenn es bei ihm zu keinem Befund gekommen wäre. Anders der Patient mit den psychisch bedingten Störungen. Er ist regelrecht enttäuscht darüber, daß der Arzt ihm ein gesundes Herz attestiert. Also geht es dann oft von einem Arzt zum nächsten, der Ärztetourismus beginnt. Natürlich spricht sehr bald ein Arzt die Vermutung aus, daß eine psychische Krankheit der Grund für die Beschwerden sei. Aber genau das will der Patient nicht hören, er ist ja schließlich herzkrank und nicht verrückt. Also zum nächsten Arzt, nach Möglichkeit ohne Akte und Informationen zu vorhergehenden Untersuchungen und deren Befunde. Mit dem Erfolg wieder dasselbe zu hören zu bekommen.

Unmöglich sagen sie? Ich habe mit vielen Patienten mit psychisch bedingten Herzrhythmusstörungen gesprochen und das oben beschriebene resultiert aus ihren eigenen Erfahrungen.


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